Die Oll Kark
Um die Geschichte der "Oll Kark" - der "Alten Kirche" zu erzählen, müssen wir um mehr als 350 Jahre in die Vergangenheit gehen.
Damals, in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, wurde auch Reepsholt nicht verschont. Die Mansfelder nahmen die Kirche ein und hausten schrecklich darin. Am Ende brannte sie aus und bis auf den Taufstein, einen gotischen Leuchter und die normannische Eichentür im Chorraum wurde das gesamte Inventar ein Raub der Flammen.
Die Reepsholter wollten ihre Kirche nicht aufgeben, doch das Geld war mehr als knapp nach den Wirren des Krieges. So entschlossen sie sich, das westliche Drittel der St.-Mauritius-Kirche aufzugeben. Niemand brauchte damals die gewaltige Kapazität von fast 800 Sitzplätzen. Auch das eindrucksvolle, aber kostspielige Gewölbe wurde nicht rekonstruiert, und so erhielt die Kirche, oder genauer gesagt, der restaurierte Teil, eine einfache Balkendecke.
Während also eine Trennwand eingezogen wurde, und zwei Drittel der Kirche wieder erstanden, blieb das restliche Drittel brach liegen und verkam mit der Zeit zu einer gewaltigen Rumpelkammer. Mochte St.-Mauritius auch zu neuer Pracht erblühen, die "Oll Kark" fiel in ihren mehr als drei Jahrhunderte währenden Dornröschenschlaf. Nicht, daß es keine Versuche gegeben hätte, sie daraus aufzuwecken. Aber die Erhaltung der Hauptkirche und der inzwischen zum Wahrzeichen gewordenen Turmruine verschlangen über die Jahrhunderte genug Mittel. Immer wieder unternahmen die Verantwortlichen Anläufe. So sollte unter anderem ein ostfriesisches Kirchenmuseum in der Oll Kark entstehen - aber es blieb bei den Plänen.
Als dann bei der letzten großen Kirchenrenovierung Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahres des vergangenen Jahrhunderts der Heizungsraum in die Oll Kark verlegt wurde, schien ihr Schicksal als Funktionsraum besiegelt.
Ein neuer Anlauf wurde seit dem Jahr 2001 unternommen, und er führte schließlich dazu, daß ab dem Herbst 2002 die Renovierung endlich beginnen konnte. Stiftungen, das Landeskirchenamt und die Kirchengemeinde stellten die erforderlichen Mittel bereit, so daß ehrenamtliche Helfer mit dem Entrümpeln und den Vorarbeiten zur Sanierung beginnen konnten.
Und da wir zudem das Glück hatten, einen Maurer zu finden, der sich noch auf die alten Techniken verstand und mit viel Liebe, Geduld und Genauigkeit ans Werk ging, stand der Wiedereinweihung zu Pfingsten 2003 nichts mehr im Wege.
Unter Anleitung der Töpferin Johanne Haxsen entstand zu diesem Anlaß in der Gemeinde das "Reepsholter Kreuz" mit seinen über 120 Tontäfelchen, die von Menschen zwischen 4 und 90 Jahren gestaltet wurden. Heute hängt es der ehemaligen Loge des Drosten von Friedeburg.
So entstand in der großen St.-Mauritius-Kirche ein Ort der Stille und des Gebetes, der mit seiner besonderen Atmosphäre für Gäste wie Einheimische ein ständiger Anziehungspunkt geworden ist. Viele Menschen nutzen die Möglichkeit, zu einem stillen Gebet eine Kerze anzuzünden, durchzuatmen und zur Ruhe zu kommen. Auch die Vesper - das Reepsholter Abendgebet an jedem Mittwoch - findet von Ostern bis Anfang Oktober hier statt.
Schließlich meldete sich auch noch ein älteres Landwirtsehepaar aus dem kleinen Örtchen Abickhafe, die seit Jahrhunderten in ihrem Garten ein steinernes Becken liegen hatten. Sie wollten es für die Oll Kark stiften.
So kam das - vermutlich - älteste Relikt der Reepsholter Kirchengeschichte in die Oll Kark. Mit einiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dem kreisrunden Granitbecken um ein Weihwasserbecken aus der längst untergegangenen Kapelle von Abickhafe.
Die Überlieferung weiß zu erzählen, daß dieses Becken noch von Bischof Willehad um das Jahr 800 geweiht worden sei. So reicht es mit seinen 1.200 Jahren sogar noch über die Stiftsgründung im Jahre 983 zurück. Im Jahr 2004 wurde es in einem feierlichen ökumenischen Gottesdienst erneut geweiht.
Karin und Jürgen Neese